Der Dauerangeklagte
Halle bleibt nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) im Untreueverfahren gegen Bernd Wiegand weiter die Großstadt mit einem angeklagten Oberbürgermeister. Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung muss er zwar als unschuldig gelten. Politisch ist der Schwebezustand trotzdem eine enorme Belastung für die Stadt. Er wird, wenn wieder alle Instanzen beschritten werden, wohl nochmal mindestens anderthalb Jahre andauern, wenn nicht länger. Die Aussicht darauf ist ernüchternd.
Wiegand ist nicht nur der oberste Verwaltungsbeamte, der seinen Mitarbeitern auch Vorbild sein muss. Er will als oberster Wirtschaftslenker der Saalestadt auch Investoren locken – mit dem Staatsanwalt im Nacken ein nicht sehr überzeugender Ansatz. Und er ist im politischen Geschäft mit dem Stadtrat weiter geschwächt, zumal dieser auch noch ein Disziplinarverfahren gegen ihn führt. Wiegand ist mithin nicht der tatkräftige Oberbürgermeister, der er sein könnte und wollte.
Mit bemerkenswerter Nonchalance hat er trotzdem bisher allen Anwürfen getrotzt und seine Arbeit versucht, so gut wie möglich weiter zu machen. Sein Mechanismus: Gegner abprallen lassen und Kopf runter in die Sacharbeit. Eine der größten Herausforderungen für die Stadtgesellschaft, die Aufnahme der hier ankommenden Flüchtlinge, haben er und sein Team so deutschlandweit beispielhaft gemanagt. Ein Lichtblick.
Wiegand kann, wie es scheint, am besten Krise. Seine Amtübernahme inszenierte er als Dauerkampf gegen die Vorgängerin und vermeintliche „alte Kräfte“. Dann kam das Hochwasser 2013, dessen Auswirkungen bis heute die Stadtpolitik bestimmen. Dann kam der Prozess, der nun bis auf weiteres den Krisenmodus im Rathaus verlängert.
Aber Dauerkrise kann es für Halle irgendwie nicht sein.